Beginnende Demenz

Steht der Verdacht einer solchen erschreckenden Erkrankung erst einmal im Raum, wächst die Aufmerksamkeit der Angehörigen. Wie oft der "Verdächtige" - denn noch weiß man ja nichts Genaues - sich wiederholt. Wie oft er etwas vergisst. Wie oft er störrisch Behauptungen aufstellt: "Das habe ich noch nie getan! Das habe ich noch nie gesagt!" Wachsam und furchtsam registrieren Familie und Freunde Veränderungen, vielleicht Gleichgültigkeiten oder bisher unbekannte Nachlässigkeiten.

Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis

Die Gegenwart zu bewältigen, kann in diesem Stadium der beginnenden Demenz kompliziert für beide Seiten werden. Der Kranke ahnt womöglich, dass seine Umge-bung erschrocken oder genervt reagiert und ihm vorwirft, etwas doch erst zehn Minuten zuvor erzählt zu haben, und auch da nicht zum ersten Mal. Die Situation eskaliert: Der Vergessliche behauptet, etwas noch nie getan, gesagt oder gesehen zu haben, und der ungeduldige Angehörige kontert voller Zorn, das sei einfach nicht wahr, er wisse das schließlich ganz genau. Und so eskaliert die Konfrontation. Erschreckende Erkenntnis auf beiden Seiten. Hier jedoch Hilflosigkeit, und dort vielleicht - noch - Rechthaberei und Unwillen, irgendwelche Vorwürfe auf sich sitzen zu lassen. Die Hilflosigkeit beim Betroffenen, denn der ist schließlich ein informierter Zeitgenosse und hat oft genug gelesen und gehört, was passieren kann, wenn die Synapsen im Gehirn nicht mehr so wollen, wie sie sollen. Und auf der anderen Seite wiederum die Angst beim Angehörigen vor dem Fortschreiten der Symptome.

Hilfe aus der Vergangenheit

Das Kurzzeitgedächtnis versagt also immer öfter bei dem Betroffenen. Er hat vergessen, was er vor fünf Minuten gesagt hat, in seinem Kopf ist ein scheußliches Durcheinander, sobald er eine klare korrekte Antwort geben soll. Was er aber viel, viel besser weiß und kennt: die Geschichten aus seiner Jugend, die Erinnerungen an früher, an ganz früher. Die Lieder aus der Kindheit: Die kann er, jedes Wort. Daher hilft es dem Angehörigen auch in ausweglos anmutenden Situationen, sich mit dem Kranken gedanklich wieder weit zurück in die Vergangenheit zu begeben. Und plötzlich entstehen beim gemeinsamen Singen wieder kleine klare Momente voller Glück.